Reise-Notizen

27. Juli 1867

Eine Reise auf einem der herrlichen Dampfer bei der jetzigen Jahreszeit den Mississippi hinauf ist immer angenehm und selbst für den eine Wohlthat und ein hoher Genuß, der die pitoresken Scenerien, welche sich auf dieser Strecke in den nahen Hohenzügen auf beiden Ufern, den wilden von dem Hochwasser des gewaltigen Flusses stets sich umbildenen Inseln, den treibenden Dörfern und Städten dem Auge darbieten, schon öfters und wiederholt zu sehen die Gelegenheit hatte. Mit wahrem Hochgenuß weilt das geschwächte Auge des Stuben-Menschen auf dem "grünen Teppich der Natur," wei die Dichter sagen besonders wenn man denselben an einem heitern stillen Morgen, nach einem prächtigen nächtlichen Gewitter umspielt von einer frischen würzigen Luft, von dem obern Deck eines ruhig, die Wellen durchschneidenden Dampfbootes betrachten kann, wie wir bei unserer letzten Tour das Glück hatten. Es war einer jener Morgen, welche als "prachtvoller Frühlingsmorgen" in den Erzählungen der Romanenschriftsteller so vielseitig beschrieben sind - und auf die wir unsere poetische Malerei liebenden Leser aus Mangel eigener Poesie verweisen möchten - und doch war es nicht mehr Frühling, denn die Sonne stand schon mitten in dem Sternbilde des Löwen und während des Tages verbreitete sie eine echte Juli-Hitze, übrigens angenehm gemildert durch eine sanfte Brise aus dem Nordwesten. Daß der smaragdgrüne Teint an Blättern und Gräsern um diese Zeit noch den jugendlichen Glanz bewahrt hatte, schrieben wir den öftern Regengüssen dieses Frühjahres zu, und in Wirklichkeit haben wir die Hügel am Mississippi noch nie so vollständig mit Grün bedeckt gesehen, als während dieser Reise; die beständige Feuchtigkeit hatte auch an den sonst nackten Felsenstellen Gräser und Blumen erzeugt. Die Schifffahrt selbst ist diesen Sommer viel leichter und angenehmer, als sie gewöhnlich in frühern Jahren um diese Zeit war, da der Wasserstand ein außergewöhnlich günstiger ist und die Dampfboote daher nicht beständig die trefften Stellen nach rechts und links zu suchen haben.

Gereist wird jedoch dieses Jahr lange nicht soviel, wie in frühern Jahren, denn man trifft selten ein mit Passagieren gefülltes Boot, und doch läßt die Union Dampfschiffs-Compagnie nur zwei regelmäßige Boote täglich fahren, das eine von Dubuque das andere von LaCrosse aus, während dem sie voriges Jahr von jeder Station zwei fahren ließ. Freichlich trug der Ausfall an Frachtbeförderung nicht weniger zur Auflegung von vorräthigen Booten bei. Zu verschiffen ist gegenwärtig von oben sehr wenig, da der Hauptstappel-Artikel, der vorräthige Weizen aus Minnesota, letzten Winter größten theils in Gestalt von Mehl per Eisenbahn nach dem Osten versandt wurde. Die Einfuhr von Waarenvorräthen aus dem Osten ist dagegen ebenfalls nur auf das Nothwendigste beschränkt, da die wilden Spekulationen auch hier im Westen allgemachs in Miskredit kommen; Jeder vorsichtige Geschäftsmann will den Ausfall der diesjährigen Ernte abwarten, welche glücklicherweise so vielversprechend ist daß man jetzt schon mit einiger Sicherheit auf eine bedeutend erhöhte Geschäftsthätigkeit für nächsten Herbst zählen kann.

Wir verließen das Dampfboot "Key City" zu Wabashaw, welche Stadt wir schon mit mehreren Jahren nicht mehr besucht haben. Der Wachsthum der Stadt ward früher durch die unregulirten Ansprüche auf das Grundeigenthum sehr zurückgehalten worden, welche Schwierigkeiten nun gänzlich gehoben sind, wie uns von dem thätigen Stadtmayor mitgetheilt wurde. Es werden daher jetzt schon bessere und kostspieligere Gebäude aufgefuhrt als früher und die Stadt hat in mehr als einer Hinsicht bedeutend gewonnen. Einige der ersten Bürger, worunter besonders General Sharp, arbeiten mit großer Energie an einem Eisenbahnnetz, welches Wabashaw mit dem Osten und Westen in nähere Verbindung bringen soll. An dem Zustandebekommen der Green Bay und Wabashaw Bahn zweifeln die Herren nicht mehr, und ebenso zäheln sie sicher auf die St. Paul und Chicago-Bahn, welche Herr Henry Rice von St. Paul auf der Westseite des Mississippi in nächster Zeit herzustellen versprochen hat. Wabashaw hat für diese Bahn auf liberale Weise eine Unterstützung von $50,000 votirt.

Es freute uns, während des dortigen Aufenthaltes eine Uebungsstunde des deutschen Gesangsvereins, der unter der tüchtigen Leitung des Herrn Dr. Richter große Fortschritte macht, beiwohnen zu können. Es ist höchst erfreulich, daß überall, in allen Ortschaften, wo nur einigermaßen bessere Kräfte und Talente sich vorfinden, deutsche Vereine gebildet werden, welche die Hebung des geistigen und socialen Lebens anstreben. Solche Vereine dienen dem deutschen Elemente stets als Stutze und sind der Kern um den es sich sammeln kann. Die Grundung, Aufrechthaltung und Unterstutzung solcher Vereine sollte sich jeder Deutsche, der die Einbürgerung deutscher Sitten und deutscher Bestrebungen in diesem Lande wünscht, zur heiligen Pflicht machen. Die Deutschen in Wabashaw haben schon bedeutenden Einfluss auf die städtischen Angelegenheiten erlangt, was daraus geschlossen werden mag, daß der dieses Frühjahr erwählte Mayor ein Deutscher, Herr Klinge, ist, und daß eine deutsche Schule auf städtische Unkosten erhalten wird.

In dem benachbarten Reeds Landing hielten wir uns nur kurze Zeit auf. Das Städtchen hat durch den lebhaften Geschäftsverkehr auf dem Chippewa Fluß viel gewonnen. Es fahren jetzt jeden Tag mehrere kleinere Dampfboote von hier nach Durand, und Eau Claire. - Der hübsche und schnelle Dampfer "Itaska", unter dem Commando des jovialen alten Webb, nahm uns am Abend auf und wir hatten auf demselben wiederum Gelegenheit einen Sonnenuntergang auf dem prächtigen Pepinsee zu beobachten. Der Pepinsee errinert uns seiner Lage und Größe nach stets an den tieblichen Zürichersee, nur fehlen dem Rahmen die herrlichen Rebgelände, Dörfer und Villas! Schon ist der Sonnenuntergang auf diesem Wasserbecken bei ruhigem klaren Wetter, wenn die Schatten der Hügel sich immer tiefer und länger in den blauen Wellen widerspiegeln und die Feuer-Gluthen der untergehende Sonne auf dem Wasser abprallen, während die dunkeln Hügelränder ringsum den See immer schroffer und näher hervortreten, als wollten sie die Wassermassen enger und enger einschließen nur sie im ewiger und unendlicher Umarmung festzuhalten!

Wir traffen auf dem Boote einen alten Bekannten und frühern Mitbürger Herrn Pfarrer Fachtmann, gegenwärtig in St. Paul wohnhaft. Herr Fachtmann ist Bezirkssynodalinspektor für die Lutherischen Gemeinden des Westens. Er ist sehr thätig und eifrig in seinem Dienst, aber daneben ein aufgeklärter und ernster Denker und guter Gesellschafter und wir verplauderten einige Stunden in so angenehmer Weise auf dem Verdeck mit ihm, daß wir anfänglich die musikalische und theatralische Abendunterhaltung, welche in der Cajüte von den schwarzen Aufwärtern mit Einbruch der Nacht begonnen hatte, überhörten. Der lebensmuntere Capitan Webb hat seine dienstbaren Geister so gut ausgewählt, daß er aus ihnen jeden Augenblick ein gut besetztes Orchester rekrutiren kann. Auch komische Gesangsvorträge, theatralisch und mimische Darstellungen werden von diesen schwarzen Tafelbedienten jeden Abend zur Erheiterung und Unterhaltung der Gäste gegeben und zwar mit vielem Geschick und Talent.

Wir stiegen spät Abends in Red Wing an's Land, welcher Stadt wir einen flüchtigen Besuch schuldeten. Red Wing ist in dem letzen Jahren bedeutend gewachsen und einige schöne Brickblocks sind errichtet worden und andere im Bau begriffen. Die Stadt hat bedeutenden Verkehr, der sich auf eine fruchtbare Umgebung stützt. Doch hörten wir acuh hier Klagen über die Gegenwärtige Stille im Verkehr. Unsern alten Bekannten John Friederich trafen wir nicht zu Hause; die demokratische Staatskonvention von Minnesota hatte Beschlag auf ihn gelegt und ihn am Tag vorher zu ihrem Candidaten für Schatz-Kämmerer ernannt. Herr Friederich ist ein ganz tüchtiger junger Mann und wir möchten ihm gerne allen möglichen Erfolg in seinen Unternehmungen wünschen, allein wir befurchten, daß die politische Laufbahn sich für ihn als eine gefährliche erweisen wird. Jourdan is a hard road to travel, John!

Prescott war unser nächster Anhaltspunkt. Wir waren schon viele Jahre nicht mehr an diesem Ort gewesen, fanden denselben nicht stark verändert. So stabil wie der Platz geblieben, so auch die Bevölkerung. Die deutschen Bürger, welche wir vor 8 Jahren dort fanden, sind noch dort, mit Ausnahme von einigen die nicht mehr dort sind und einigen andern die ihre Plätze eingenommen. Die Anzahl ist die gleiche geblieben. Doch haben wir eine Verbesserung gefunden, nähmlich ein gutes Bier, was früher als ein Knobloch die Gambrinusquelle redigirte, nicht der Fall war. (Die Schuld lag vielleicht am Namen!) Herr Joseph Reichert hält ein guts deutsches Gasthaus, das "St. Charles Hotel"; man ist bei ihm gut aufgehoben. Lute Taylor, der Saphir der Wisconsin Presse, thront immer noch in seinem alten hohen Nest, nur muß man ihn wie einen Dieb in der Nacht überfallen, wenn man ihn darin haschen will. Uebrigens scheint er nur schwindelfreie Personen bei sich sehen zu wollen, den andere werden es nicht wagen seinen wackligen Eingang zu besteigen!

Der kleine Dampfer "Gray" brachte uns nach einer 3 Stündigen Fahrt auf dem lieblichen "St. Croix Lake" nach Hudson. Diese Stadt war voriges Jahr größtentheils niedergebrannt, ist jedoch bereits wieder als Phönix aus der Asche entstiegen. Solide Stein- und Brickgebäude werden jetzt auf dem Geschäftsplatz errichtet und da das rückwärts der Stadt liegende Land äußerst fruchtbar ist und auf eine große Ausdehnung kein anderer Marktplatz vorhanden ist, so sind die Geschäfte in Hudson im Verhältniß zum anderen Orten recht lebhaft. St. Croix County bietett den Einwandereren noch gute Gelegenheit, sich eine Heimat zu sichern, denn es besitzt noch große Strecken jungfräulichen Landes; die dortigen deutschen Farmer wünschen sehnlichst, daß mehr Deutsche sich unter ihnen niederlassen möchten und sie wollen denselben mit Rath und That an die Hand gehen. Auch die deutschen Bürger von Hudson würden mit Vergnügen deutsche Neubürger in ihrer Mitte sehen. Namentlich wünschten sie einen deutschen Wirth, der im Stande wäre ein gutes "Boarding" Haus zu halten, da gegenwärtig gar kein deutsches Lokal dieser Art vorhanden ist. Wir sind dem Bierbrauer, Hrn. Montmann, für die uns erzeigte Freundschaft zum Dank verpflichtet.

Den Sonntag brachten wir in Stillwater zu. Dieser Platz ist bekanntlich während des Sommers ein begünstiger Aufenthaltsort von Flössern, Matrosen und Holzhackern, die im Allgemeinen keine besondere Ansprüche auf feinere Sitten machen und wir erinnern uns, daß es an Sonntagen dort sehr laut und geräuschvoll her- und zugegangen ist. Diesmal war alles ruhig obwohl das Städtchen voller Leute war. Die Ursache war das Sonntagsgesetz, welches seit einigen Wochen in Stillwater durchgesetzt wird. Obwohl wir im Prinzip durchaus gegen das Sonntagsgesetz oder überhaupt gegen moralische Zwangsmaßregeln sind, so dachten wir doch, daß die Durchführung des Gesetzes hier jedem Bürger wünschenswerth sein musse. Daß die heimischen Bürger doch erhalten konnten, was sie wollten, sahen wir an dem Herausgeber der dortigen englischen Zeitung, welcher in seinen Spalten Temperenz befürwortet. Wir begegneten diesem edlen Ritter auf der Straße ca. 5 Uhr Abends, so mit Whiskey aufgefullt, daß er uns caum Antwort geben konnte. In der That war er der einzige Betrunkene, die wir sahen!

In St. Paul, das wir in fünf Jahren nicht mehr gesehen hatten, trafen wir noch eine Menge alter Bekannter und Freunde, die sich aller unser noch mit Vergnügen zu erinnern schienen. Natürlich quartirten wir uns bei unserm alten Freunde Groß in "St. Paul Haus" ein, der seinen Namen wahrhaftig nicht im Sonst trägt, denn er ist um die Weiten- und Kopfgegend mächtig groß geworden. Ueber St. Paul selbst werden wir in einer nächsten Nummer unsere "opinion" zum Besten geben.

Weitere Reisenotizen. St. Paul und die "Schwesterstädte."

3. August 1867

Als wir am Montag Mittag in Stillwater den "berühmten" amerikanischen Postwagen des amerikanischen Fürsten von Turn und Taxis, hier genannt "Burbank u. Co.", bestiegen, der uns nach St. Paul bringen sollte, stieg manche Erinnerung mit uns auf, über ehemalige Fahrten auf ähnlichen interessanten Fuhrwerken Land auf Land ab; denn vor kaum 10 Jahren waren diese Kasten hier im Nordwesten noch hauptsächlichsten Beförderungsmittel gewesen. Schöne Reisezeiten waren's gewesen, als die Reisenden die hälfte Zeit zu Fuß hinten und neben dem antideluvianischen Karren hertragen mussten. Jeder mit einem Fenzriegel auf dem Rücken, um bei der nächsten Versenkung des Wagens denselben aus dem Not heben oder eine Brücke über einen Sumpf herstellen zu können!Ohne eine Verenkung irgend eines Gliedes ging eine Fahrt selten ab, und zum Unglück waren damals die "zufälligen" Versicherungen noch nicht erfunden, wenigstens noch nicht so allgemein patentiert, wie jetzt, wo jeder, der an eine "Spree" gehen oder ein Mädchen besuchen will, eine Versicherung gegen "Accents" heraus nimmt!Es war eine "romanische" Zeit, die Postwagen Zeit, denn mancher Roman wurde in diesen Marterkästen, wie man eigentlich die amerikanischen "Stakse" benennen solle, gespielt. Die Postwagen verschwinden vor der vorrückenden Zivilisation, wie die Indianer und bald wird man dieselben, wie sie waren, nur noch in Raritätensammelungena la Barnum sehen können!

Unser Wagen, in den wir, wie Eingangs bemerkt, einstiegen, war eine schwere Kutsche und gehörte also schon zu neuern Schule; die "Land" Straße aber war noch die alte, wie vor zehn Jahren - es ging über Stock und Stein, tiefen Sand, Pfützen u.s.w., ziemlich schnell, obgleich der Treiber auf dieser Strecke von 15 Meilen nur dreimal ein kehrte, und daß es nicht mehr geschah, lag bloß daran, daß es nicht mehr Wirtshäuser an der Straße hatte! Unsere Reisegesellschaft war sehr uninteressant: eine schwächliche amerikanische Dame, die ins Bad reiste um ihre Glieder zu stärken, was ihr allem Anscheine nach sehr noth hat, und einige blonde Jünglinge aus dem Lande der ritterlichen Normänner. Wir betrachteten dafür die Gegend und fanden, daß sie "verbessert" worden war; eine Anzahl Farmen waren entstanden, wo wir früher nichts als Gestrüpp gesehen hatten und prächtige Fruchte zeigten sich unsern Blicken. Gott segne den Farmer! Jeder Stadtmann sollte von dem Manne, der der Erde das Bord abringt, den Hut ziehn!

Doch wir wollten schon lange in "Sankt Paulus" sein. Wir waren sehr gespannt die Veränderungen, welche sich seit fünf Jahren daselbst zugetragen und begeben, zu sehen: die großen Häuser, die gebaut worden, die Eisenbahnen, die neue "Großmacht" das "Volksblatt", die alte "Staatszeitung" und ihre poetische Editor u.s.w. u.s.w.; aber was wir hauptsächlich an diesem Abend noch sehen wollten, das war "Black Crook", den wir hatten vernommen daß dieses berühmt geworden Theaterstück diesem Abend zum ersten Male in St. Pauler Opernhaus gegeben würde, und da durften wir nicht fehlen. Und nun, wenn der eine oder andere unserer freundlichen Leser fragt, wer und was is "Black Crook"? so wollen wir es ihm in wenigen Worten erklären. "Black Cross" ist ein Deutscher - soll eigentlich eine Oper sein, die ein Amerikaner aus den Opern "Feensee", "Urine", und andern zusammengesetzt oder gestohlen hat - die Handlung ist jedoch wirklich deutsch und spielt im Herzgebirge. Die Hauptfigur ist eine jener mythischen Persönlichkeiten, die im Munde des deutschen Volkes leben, ein alter missgestalteter, abschreckender Mensch, genannt der "Krumme Schwarze" - daher der Name "Black Crook" - welcher als Einsiedler in einer wilden Gegend wohnt, Alchemie treibt, nach Gold sucht und sich zu diesemZweck mit dem Teufel verbunden hat, mit den er ein förmlichen Pakt eingegangen und ihm für die gelieferten Schätze eine Seele verschreiben musste. Zu diesen schwarzen Unterlage musste auch Licht hinzu, deshalb hat der Autor auch einige Feen und Engelchen, nebst neben einen halben Regiment jünger Mädchen, die als Tänzerinnen, Amazonen u.s.w. auftreten, unter die Figuren aufgenommen, und da man sich die Kinder des Lichts auch Inch in schweren irdischen Kleidern vorstellen kann, so hat der Maler der Stückes dafür gesorgt, daß diese irdischen und überirdischen Engel nur in leichter Umhüllung, einem bunten Rockigen bis an die Obern Waden reichend, nebst Unterkleidern von Spinngeweben- auftreten. Diesem Umstande, der in New York zu Protestaktionen von Seite einiger schwachen moralischen Gemuther führte, und den außerordentlich prachtvoll gemalten Szenerien hat das Stück seine ganze Berühmtheit zu verdanken; es wird in New York seit einem Jahre dort jede Nacht aufgeführt und hat dem Eigenthümer schon hunderttausendede eingetragen. Unsere Gespanntheit als Kunstfreund, "Black Crook" zu sehen, wird daher begreiflich sein.Allein unsere Erwartungen wurden enttäuscht, obgleich wir die Entfernung von New York nach St. Paul in Abschlag brachten. Es fehlt dem St. Pauler "Crook" an den beiden Hauptbedingungen des Stückes, den rechten Szenerien und dem guten hübschen Ballet-Corps. Die Ersten waren nichts außergewöhnliches und das Letztere war "Imitation". St. Pauler Bürgermädchen, die einige Wochen Unterricht im Tanzen genommen, stellten die Tänzerinnen vor - die Leistungen waren daher sehr bescheiden und auch die "Wadenausstellung" nicht besonders anziehend! Kein Wunder daher, daß der "Black Crook" in St. Paul schon ausgespielt hat. St. Paul ist eine Großstadt geworden. Es sind prachtvolle und großartige Gebäude erstanden und die herrlichen, soliden blauen Bausteine, an denen der Boden, auf dem die Stadt steht, so reich ist, geben die Gebäude ein schönes und substantielles Ansehen. Schade, daß das Opernhaus nicht davon gebaut ist; dasselbe ist recht hübsch und niedlich eingerichtet und gereicht einer Stadt von 15,000 Einwohnern zur Ehre.Freilich werden die Eigenthümer und Aktionäre nicht reich davon werden. St. Paul ist auch in geschäftlicher Beziehung noch die Hauptstadt von Minnesota, obgleich das junge Minneapolis, das wie ein üppiges Kornfeld über Nacht aufgeschossen ist, sich anstrengt, in dieser Beziehung der Hauptstadt den Rang abzulaufen. Es sind schon bedeutende Großhandelshäuser da, die ein großes Feld beherrschen - und den Leuten steht, was für jüngere Platze eine Hauptsache ist, viel östliches Capital zu Gebote.

Deutschland ist in St. Paul sehr gut vertreten, (Irland, freilich noch besser) und es herrscht eine merkwürdige Einigkeit unter den Söhnen Hermann's - in einer Frage wenigstens, der Bierfrage und der sozialen Freiheit. Wehe dem Menschen oder der Partei, welche diese Frage nicht in Ruhe läßt! denn da wir

"Selbst ein 'Wieviel' zur schone Und treibt mit dem Entsetzen Spott" doch man "dorf nie sogen"!

Übrigens hat das Deutschtum in St. Paul eine große Anzahl gebildeter und rech tüchtiger Männer aufzuweisen, und an gemüthlichen "Häuser" , die eine Commers comme il faut mitmachen können, fehlt es nirgends weniger als dort. Wir müssen gestehen, St. Paul ist uns immer ein lieber Aufenthaltsort und wir könnten da ein paar Dutzend wackere Burschen aufzahlen, die all sehr in's Gewicht fallen wie die Papa's Eich und Groß, wenn's an - die Unterhaltung geht. Unsere Herren Collegen von der "Staatszeitung" und dem "Volksblatt" sorgen für die geistige Unterhaltung des Volkes auf's Beste und sind immer bei der Spritze, wenn es sich um den deutschen Einfluss in Staatsangelegenheiten handelt; sie verstehen es aber auch das Interesse an öffentlichen Angelegenheiten gegenseitig wach zu halten und verdienen daher auch die liberale Unterstützung die ihnen zu Theil wird.

Minneapolis, die jugendlich berühmte Stadt, liegt jetzt nur noch einem Katzensprung von St. Paul, seitdem die Eisenbahnen gebaut sind. Wir gingen auch dahin, selbstverständlich. Wir erwarteten zu erstaunen und wir erstaunten auch, nicht wegen der meilenweiten Ausdehnung und den vielen Häuschen und Chantiers auf der weiten Prairie herum, sondern wegen der großen Steinblocks, welche auf dem Geschäftsplatz erbaut und den großen geschäftlichen Etablissements, die errichtet worden. Die große Wasserkraft der "St. Anthony Fälle" scheint hauptsächlich für Minneapolis Vorteil zu bringen; die Kraft derselben ist im gute Hände gefallen, welche sie benutzen werden. Soviel scheint ausgemacht zu sein, daß Minneapolis und St. Anthony zusammen bedeutendste Fabrikplatz des Westens werden wird. Gegenwärtig hörte man daselbst mehr Klagen als Loben; Minneapolis hat letztes Jahr einen allzugroßen Sprung gemacht und muß sich jetzt wieder ein wenig von der Überanstrengung ausruhen. Eine große Anzahl Fremder hält sich während des Sommers beständig daselbst auf, meistens Leute, denen etwas fehlt und die dort Luftkuren machen wollen.Auch Minneapolis hat ein Opernhaus und gegenwärtig auch eine Schauspielertruppe, die jeden AbendVorstellung gibt. Die deutsche Bevölkerung ist nicht sehr stark vertreten, obwohl einige gewichtige Leute darunter sind, wie der Herr Dr. Blecken und General-Agent Leue, doch existiert ein Turnverein da, der eine eigene Halle hat und ein Gesangverein, der ebenfalls eine Halle und ein Liebhabertheater besitzt.

Nun sind wir wieder zu Hause und dessen sind wir froh, denn "After all" und alles und "elles" in Betracht gezogen, ist La Cross mit seiner kernfesten deutschen Bevölkerung immer noch der Ort, der uns am liebsten ist.

Zum Schlüsse wollen wir unsern geehrten Lesern den "Nachruf" nicht voll enthalten, den uns der poetische "Spitzer" vond der "Staatszeitung" nachwirkt. Hier ist er:

Vivat Ulrich! In der Heimat ist er wieder, Mordet wieder seinen Stern, Leert das volle Stammglass wieder Auf die Freunde in der Fern, Lässt dazu sich prächtig munden, Was die Gennerin gemacht Aus der sussen Milch der Aiven - Schweizerkäse, welche Pracht! Regelt wieder maß die Corner - Heads mit scharfgefalzenem Spott. Bringt den Musen seine Opfer Vivat Uli! Grüß Di Gott!

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