Unter den Mitgliedern der Davenport Schützengesellschaft geht ein altes Sprichwort, welches besagt, daß es an den Tagen, an welchen die Gesellschaft ihr Schützenfest und Königsschiessen abhält, nie regnet. In diesem Jahre hat das Sprichwort wieder Recht behalten. Wenn auch das Wetter vorgestern und gestern nicht gerade sonnig, sondern trübe, und der Himmel umwölkt war, so regnete es doch nicht, und da solches Wetter, bei dem die Sonne nicht allzu heiß vom Himmel herabbrennt, der Abhaltung von Sommerfesten am besten und zuträglichsten ist, so hatte das Schützenfest und das Königsschiessen wahrlich nicht über Mangel an Besuch zu klagen.
Sonntag Morgen zu früher Stunde versammelten sich die Schützen in der Turnhalle, zogen von dort nach der Wohnung des Königs, Herrn Alfred Steffen, holten ihn ab, und marschirten dann mit Musik von der Turnhalle aus, wo sich ihnen die Turner anschlossen, der im Programm vorgezeichneten Marschroute nach der Ecke der dritten und Fillmorestraße, von wo aus sie Straßenbahnwagen nach dem Schützenparke brachten. Dort wurde die Ankommenden, nachdem sie manchen guten Trunk gethan, von dem Präsidenten der Schützengesellschaft, Herrn John C. Böhl, mit dem nachstehende Worten willkommen geheißen:
"Geehrte Gäste und Schützenbrüder!
Ein herrliches Willkommen Euch Allen zu unserem heutigen Feste. Als wir uns, ungefähr vor einem Jahre, hier auf diesem Platze versammelten, um unser alljährliches Königsfest zu feiern, ruhte es wie ein schwerer Alp auf den Gemüthern aller freisinnigen Bürger dieses Landes.
Mit frecher Hand hatte man es versucht, einen Eingriff in das unveräußerliche Recht eines jeden Menschen, in das Recht der persönlichen Freiheit zu thun; ja, man ging sogar so weit, ermuthigt dazu durch den am 27ten Juni errungenen Erfolg, damit zu drohen, uns die Abhaltung von Festlichkeiten an Sonntagen auf diesem Platze zu verbieten. Doch ist Gottlob dem unsinnigen Treiben dieser Fanatiker ein vorläufiges Halt geboten, wenn dieses auch nicht auf Art und Weise, wie wir es hätten wünschen mögen, bewerkstelligt worden, nämlich durch die gesunde Vernunft des Volkes; immerhin ist es doch ein Aufschub, wodurch demselben Zeit zur Ueberlegung und zum Handeln gegeben; und die Zeit gewonnen ist, wie ich hoffe, Alles gewonnen.
Getrost können wir deshalb, meine Freunde, mit frischem Muth und frohem Sinn unser heutiges Fest beginnen, und in heiter Gemüthlichkeit, jedoch mit Eifer, um den höchsten Preis ringen, den es in der Macht unserer Gesellschaft steht, zu vergeben, nämlich den Königspreis und die Königskrone.
Ich kann nicht umhin, bei dieser Gelegenheit einen kurzen Rückblick auf die Entstehung und Entwickelung unserer Gesellschaft zu thun.
Am 16 Dezember 1868 vereinbarte sich eine kleine Anzahl Männer, einen neuen Schützen-Verein zu gründen.
Die vielen Hindernisse und Schwierigkeiten, die zu überwinden hatten, das große finanzielle Risiko, welches sie übernehmen mußten, würden Manchen davon zurückgeschreckt haben, aber an ein Aufgeben oder Weichen dachten sie nicht. Der Erfolg dieses Unternehmens war, daß am 12. Juni 1870 die feierliche Eröffnung dieses Ihres jetzigen Schützen-Parkes stattfand; damals sozusagen fast noch eine Wildniß.
Und was sehen wir jetzt?
Einen der schönsten, blühendes Parks, den unser neues Vaterland aufzuweisen hat.
Vergleichen wir das Schießen mit damals und jetzt, und die Fortschritte auf diesem Felde sind völlig ebenso bemerkbar. Wenn damals ein Schütze 60 Ringe in drei Schüssen that, so war das eine ganz besondere Leistung, jetzt aber wenn einer nicht mehr schießt wie das, und es kommt zur Preisvertheilung, begnügt er sich schon recht gerne mit einem der letzten Preise, denn es wäre ja immerhin möglich, daß er ganz leer ausginge.
Diesen Erfolg, meine Freunde, haben wir dadurch errungen, daß wir bei jeder Gelegenheit, wo es sich um das Interesse des Vereins handelte, unsere gegenseitigen Meinungen frei und wie Männer ausgetauscht haben, und einen einmal gefaßten Beschluß, wenn auch nicht nach der Ansicht eines Jeden richtig, doch nachher wie ein Mann unterstützt und zur Ausführung gebracht haben.
Lassen Sie uns daher auf dem betretenen Wege fortfahren, und ich glaube, Ihnen die Versicherung geben zu können, daß die Zeit kommen wird, wo ein Jeder von uns mit Stolz sagen wird: "Auch ich bin ein Mitglied dieses Vereins!"
Lauter Beifall folgte der Rede, und die Schützen begaben sich darauf nach den Schießständen, um mit dem Preisschießen zu beginnen. Dasselbe wurde bis zum Einbruche der Dämmerung fortgesetzt, aber manche Stunde nachher noch unterhielten sich die Besucher, die von den Hunderten und Tausenden, welche sich während des Nachmittags im Schützenparke eingefunden hatten, noch zurückgeblieben waren, fröhlich bei Musik, Tanz und geselliger Unterhaltung.
Gestern Morgen begannen die Schützen eifrig wieder nach der Scheibe zu schießen, und setzen das Preisschießen bis Nachmittag um vier Uhr fort. Dann wurden die Schießlisten geschlossen, und die Preise vertheilt. Den ersten Preis auf der Königsscheibe und damit das Ehrenamt des Schützenkönigs für das nächste Jahr hatte sich Hr. Heinrich Schroeder, Senior, errungen. Herr M. J. Rohlfs vollzog die Königskrönung, und begrüßte den König in einer launigen Rede. Auf den einzelnen Scheiben erwarben sich die nachbenannten glücklichen und geschickten Schützen Preise:
Ehren-Scheibe
Zehn-Schuß-Scheibe
Stich-Scheibe
Mann-Scheibe
Damen-Scheibe
Den Schluß den schönen Festes machte sodann gestern in den Abendstunden Feuerwerk und Beleuchtung des Parkes, sowie der große Festball, der unter ungetrübter Fröhlichkeit bis zur Mitternachtsstunde währte.
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